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© Basler Zeitung; 24.03.2004; Seite 37
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WARUM UNS UM DEN SCHWEIZER FILM NICHT BANGE ZU SEIN BRAUCHT

Ein dreckiger Cop in einer dreckigen Gegend

Von Mathias Heybrock

Diesem Film eilt ein Ruf voraus. «Strähl» beruht nämlich auf einem Drehbuch von Michael Sauter und David Keller: Zwei junge Männer, die auch das Skript zu der RS-Komödie «Achtung, fertig, Charlie!» schrieben, dem mit Abstand erfolgreichsten, aber auch umstrittensten Schweizer Film des letzten Jahres. Wird sich die Debatte über Kommerz vs. Kultur nun fortsetzen?

Inszeniert von Manuel Flurin Hendry, handelt «Strähl» von einem gleichnamigen Drogenpolizisten (Roeland Wiesnekker), der auf der Zürcher Langstrasse Dienst tut. Wer ihm zuschaut, kann schnell auf die Idee kommen, der Mann sei selbst ein Fall für die Leute vom Gift. Strähls Konsum an Aufputschmitteln ist beträchtlich und hat bereits deutliche Spuren hinterlassen: Das Gesicht aufgedunsen, die Wohnung verwahrlost, die Frau längst über alle Berge. Als er bei einem Einsatz wieder einmal übereifrig reagiert und sich der Junkie René (Manuel Löwensberg) deswegen verletzt, wird Strähl suspendiert. Ohne Arbeit komplett haltlos, versucht er alles, um den Job zurückzubekommen. Auch wenn das bedeutet, Carol (Johanna Bantzer) zu entführen, die Freundin von René, der auf diese Weise gezwungen werden soll, eine Aussage zugunsten von Strähl zu machen. - Ein dreckiger Cop in einer dreckigen Gegend; eine Dramaturgie, die scheinbar unaufhaltsam auf den grossen Knall hinarbeitet: Das klingt nach Genrekino, nach einem schnellen und schäbigen Polizeifilm amerikanischer Prägung, der halt in Zürich spielt. Und genau das ist «Strähl» auch.

Aber auch noch ein bisschen mehr. Denn die aus Hollywood überlieferten Erzählmuster gehen hier eine nahezu perfekte Symbiose mit den heimischen Gegebenheiten ein. Michael Sauter und David Keller haben jahrelang in der Langstrasse gewohnt. Ihr Drehbuch fasst, was sie dort aufgeschnappt haben, in prägnante Szenen und knochentrockene Dialoge: «Strähl» ist, bei aller Härte, auch ein sehr komischer Film. Das spricht keineswegs gegen seinen Realismus, wie auch Daniel Meili bestätigt, Chefarzt der Zürcher Arbeitsgemeinschaft für risikoarmen Umgang mit Drogen. Er kennt die Szene auf der Langstrasse aus dem Effeff: Den Frust der Drogenpolizisten, denen bei ihren Razzien immer nur die kleinen Fische ins Netz gehen, während man den Drahtziehern im Hintergrund nichts nachweisen kann. Die moralische Ambivalenz der Fahnder, die deswegen selbst schon mal Gesetze übertreten.

Freilich ist die authentische At-mosphäre auch ein Verdienst der exzellenten Schauspieler. Allen voran gilt das für Roeland Wiesnekker als Strähl, aber genauso für Johanna Bantzer, die Ensemblemitglied am Basler Theater ist und für die Rolle der Carol am Festival von Saarbrücken als beste Nachwuchsschauspielerin ausgezeichnet wurde. Sie bilden in «Strähl» zunächst eine Schicksalsgemeinschaft, in der jeder den anderen für die eigenen Zwecke (miss-)brauchen will. Doch dann entsteht allmählich gegenseitiger Respekt; eine Nähe, die laut Meili für das Verhältnis zwischen Fahndern und Drogenkonsumenten nicht ungewöhnlich ist. Wenn auch kaum in Form einer schönen Liebesgeschichte, mit der die genaue Milieustudie zum überraschenden Ende wieder in Genrekonventionen überführt wird.

«Strähl» geht den Weg weiter, den zuvor «Achtung, fertig, Charlie!» beschritten hatte: Weg vom klassischen Autorenkino, hin zum Genreansatz. Das Schwergewicht liegt auf dem Drehbuch und den Darstellern. Regisseur Manuel Flurin Hendry versteht sich, ganz amerikanisch, als Moderator zwischen allen am Projekt Beteiligten. Man sieht an seinem Film, zu welch exzellentem Ergebnis das führen kann. Natürlich ist «Strähl» nicht perfekt. Zwischendurch hängt die Dramaturgie ein wenig durch, die eine oder andere Szene wirkt etwas holprig. Aber es bleibt ein erstklassiger Unterhaltungsfilm, dem ohne Moralisieren ein genauer Blick auf das Drogenmilieu gelingt. Wenn der Erfolg von Projekten wie «Achtung, fertig, Charlie!» zu Filmen wie «Strähl» führt, braucht es einem um die Zukunft des Schweizer Films nicht Bange zu sein.

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