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© Tele; 27.03.2004; Seite 22; Nummer 13
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LANGSTRASSENBLUES

Junkies, Cops und Piranhas - der Schweizer Polizeifilm mit Roeland Wiesnekker und Mike Müller bringt noch mehr Action in Zürichs Rotlichtmilieu.

Von Marco Spiess und Antonio Gattoni

«Die meisten Schweizer Filme richten sich an ein Publikum über 40», stellt «Achtung, fertig, Charlie!»-Drehbuchautor David Keller im Interview mit TELE fest. «Produzent Lukas Hobi wollte das mit «Charlie!» ändern.» Der Versuch ist geglückt. Das Schweizer Kino ist wieder geil - besonders für Jugendliche. «Wir waren allerdings zu vorsichtig, das Publikum wäre auch ein höheres Tempo mitgegangen», sagt Keller und schiebt mit seinem Co-Autor Michael Sauter nun einen rasanteren Beitrag nach. Keine Komödie, sondern einen Polizeithriller: «Strähl», der rund um Zürichs berüchtigte Langstrasse spielt. Schon 1958 siedelte Kurt Früh seine «Bäckerei Zürrer» an der Lebensader des Kreises 4 an. Damals sorgte die Liebe zwischen einer Bäckerstochter und einem Italiener für Aufregung. 46 Jahre später würde kein Hahn danach krähen. Und so konzentriert sich «Strähl» auf den zeitgenössischen Alltag an der Langstrasse mit Prostitution und Drogenhandel.

Im Zentrum steht Titel-«Held» Strähl (Roeland Wiesnekker), ein kaputter Polizist der Drogenabteilung, der tablettensüchtig und aufbrausend ist. Schon lange versucht er, den albanischen Drogenbaron Berisha (Adem Kicai) auszuschalten, kann ihm aber nichts nachweisen. Als er auf der Suche nach Beweisen die Junkies Carole (Johanna Bantzer) und René (Manuel Löwensberg) aufscheucht, stolpert René aus dem Fenster. Der Verletzte gibt an, Strähl habe ihn geschubst, worauf er vom Dienst suspendiert wird. Nun versucht Strähl auf eigene Faust, Berisha zu schnappen. Um seinen Job zurückzubekommen, braucht er Renés Aussage. Die will dieser aber nur machen, wenn Strähl ihm Heroin beschafft. Den «Sugar» versucht Strähl vom Kleindealer Beko (Nderim Hajrullahu) zu besorgen.

Die Art, wie Strähl immer mehr die Distanz zum Milieu verliert und abstürzt, entwickelt eine ausgesprochene Sogwirkung. Roeland Wiesnekker verkörpert den Cop fantastisch, mit Anklängen an amerikanische Vorbilder und das deutsche Gegenstück Schimanski. Die jüngeren Schauspieler können problemlos mithalten: Johanna Bantzer (siehe Porträt) spielt mit trotziger Natürlichkeit. Manuel Löwensberg, der Sohn von Bundesrat Moritz Leuenberger und Gret Löwensberg, überzeugt als Junkie. Er hat eigentlich die bürgerlichsten Träume von allen: ein eigenes Velogeschäft. Mike Müller ist in schmieriger Topform, Max Rüdlinger darf als Vorgesetzter den typischen Cop-Satz «Ich muss dich suspendieren» zum Besten geben.

Nicht allein die Schauspieler tragen zum Gelingen bei. Auch der 1973 in Zürich geborene und in Berlin lebende Regisseur Manuel Flurin Hendry legt sich bei seinem Erstling ins Zeug. Die erste Verfolgungsjagd mit fetzigem Soundtrack und wildem Kameraeinsatz macht klar, dass hier der Anspruch «rasant» eingelöst wird. Generell dominieren ausgewaschene Farben, was die triste Stimmung noch unterstreicht.

Mühe bereiten am Anfang noch die kurzen Dialoge. Insbesondere die Analogien, die Strähl zu einem Piranha zieht («Di grosse Fisch frässed di chliine, usser du bisch en Piranha») wirken etwas gekünstelt. Doch bald findet der Zuhörer diese «Mann, was wotsch?»-Sprache treffend. Autor David Keller formuliert es im TELE-Interview so: «Im Schweizerdeutschen gibt es keine Filmsprache wie im Englischen. Sobald zwei Leute in ganzen Sät- zen miteinander reden, tönt es wie Kasperletheater. Weil die Leute in Realität keine ganzen Sätze sagen. Deshalb mussten wir überall die Sätze kaputtmachen.» Fünf Jahre lang haben er und Michael Sauter am Script gearbeitet, wobei sie erst mit einem helvetischen «Dirty Harry» experimentierten. Das Endprodukt ist weniger hart als der Eastwood-Klassiker, aber immer noch tough. Auch hier sollte der Realitätsbezug nicht verloren gehen. Keller, der selbst im Kreis 4 lebt, meint: «Unsere Idee war es schon immer, Geschichten zu schreiben, die auf der Strasse liegen. Es gibt wenige Orte auf dieser Welt, wo das kleinbürgerliche Biedere so eng mit dem Drogenmilieu und dem Nachtleben vereint ist wie an der Langstrasse.» Die Balance zu finden war die Herausforderung: «Die meisten Filme über Drogen zeigen den Absturz oder sie glorifizieren den Konsum wie in «Trainspotting». Das wollten wir nicht.»

Mit «Strähl» gelingt es Keller und Sauter erneut, ein Hollywood-angehauchtes Thema zu verschweizern. Nach einer Komödie im Stil von «American Pie» liefern sie nun einen ruppigen Grossstadtthriller.

Was kommt als Nächstes? Sci-Fi im Berner Oberland? «Eine Idee wäre eine historische Trilogie zu den Schlachten bei Morgarten, Sempach und Marignano», meint Keller schmunzelnd. Und wenn es günstiger sein soll, hätte Sauter eine Idee parat: «Er will den brutalsten Film machen, den die Schweiz je gesehen hat», sagt Keller, «einen richtigen Splatter-Film.»

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